EZB Leitfaden zu Übernahme- und Fusionsvorhaben im Bankensektor

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Die Europäische Zentralbank ("EZB") als oberste Hüterin der Währungs- und Wirtschaftspolitik im Euroraum hat am 12.01.2021 die finale Fassung ihres Leitfadens zu Übernahme- und Fusionsvorhaben im Bankensektor vorgestellt.

Dieser Leitfaden normiert keine neuen regulatorischen Anforderungen an Kreditinstitute und die Bestimmungen dieses Leitfadens sind daher auch nicht im Sinne rechtsverbindlich geltender Regeln auszulegen. Ziel des Vorhabens ist vielmehr die verbesserte Planbarkeit von Bankzusammenschlüssen, da durch die nunmehr dargelegten Grundsätze die Erwartungen und Vorstellungen der EZB hinsichtlich solcher Transaktionen klarer umrissen werden. Dadurch sollen mögliche Fehleinschätzungen der Kreditinstitute zum erwarteten Handeln der Aufsichtsbehörden in Zukunft leichter vermieden und bestehende Unsicherheiten ausgeräumt werden. Die im Leitfaden dargelegten Bestimmungen dienen hierbei (lediglich) als Ausgangsbasis der Entscheidungen der Aufsicht, die im Einzelfall an die Umstände der Transaktion angepasst werden können.
 

Kernelemente des neuen Leitfadens

Ein wesentliches Element des neuen Leitfadens sind Grundsätze der EZB hinsichtlich der buchhalterischen Nutzung von negativen Firmenwerten ("Badwill") im Zuge von Bankzusammenschlüssen. Badwill entsteht, wenn der Übernahmepreis, der sich in der Regel an der Marktkapitalisierung der übertragenden Bank orientiert, geringer als deren Eigenkapitalwert ist. Die – im Verhältnis zum Eigenkapitalwert zu geringe Marktkapitalisierung – spiegelt häufig die Unsicherheit von Investoren hinsichtlich der Bewertung der künftigen Profitabilität des Kreditinstituts wider.

Nach Vorstellung der EZB sollen die monetären Vorteile des – aufgrund von Badwill – zu geringen Übernahmepreises zur Deckung von Transaktions- oder Integrationskosten oder für Investitionen in die weitere Stabilität des Geschäftsmodells des neuen Kreditinstituts herangezogen werden; insbesondere wird seitens der EZB erwartet, dass im Zusammenhang mit Badwill entstehende Gewinne erst dann via Dividendenausschüttungen an Aktionäre verteilt werden, wenn die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells gesichert ist.

Bei einem Zusammenschluss kann ein beträchtlicher Teil der aus der Transaktion entstehenden Kosten bereits vorab berücksichtigt werden, wohingegen sich die Vorteile erst ab einem späteren Zeitpunkt zu realisieren beginnen. Dieser Dynamik soll im Leitfaden im Bereich der Säule 2 der Basel Regulatorien (Bankenaufsicht) Rechnung getragen werden, indem die Niveaus der verbindlichen Säule 2 Anforderungen (Pillar 2 Requirements – P2R) und der nicht verbindlichen Säule 2 Empfehlungen (Pillar 2 Guidance – P2G) nach Abschluss der Transaktion auf Basis der gewichteten Durchschnitte der P2R und P2G Werte beider an der Transaktion beteiligten Banken berechnet werden. Die sich daraus ergebenden Werte können dann im Einzelfall seitens der Aufsicht nach oben oder unten nachjustiert werden. Letzteres ist vor allem dann denkbar, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Bankenzusammenschluss zur weiteren Diversifikation des gemeinsamen Portfolios führt oder das Geschäftsmodell durch den Zusammenschluss widerstandsfähiger und stabiler wird.

Darüber hinaus wird im Leitfaden die Möglichkeit der übergangsweisen Weiternutzung der internen Berechnungsmodelle für die Kapitalanforderungen nach dem Bankzusammenschluss festgehalten. Diese eingeräumte Möglichkeit stellt eine Erleichterung für die Kreditinstitute dar: Die sonst zwingende Rückkehr des (übernehmenden) Instituts zum Standardansatz bei der Bewertung seiner risikogewichteten Aktiva würde eine zusätzliche aufsichtsrechtliche Belastung darstellen und könnte zu einem Anstieg der risikogewichteten Aktiva und damit verbunden zu einer erhöhten Eigenmittelausstattungsverpflichtung führen. Durch die übergangsweise Weiternutzung der internen Berechnungsmodelle kann dies allenfalls vermieden werden.
 

Bankfusionen als Mittel gegen die Zersplitterung in der europäischen Bankenlandschaft

Übernahmen und Fusionen im Bankensektor bergen für die beteiligten Institute aber auch für die Funktions- und Widerstandsfähigkeit des gesamten Bankensektors sowohl Chancen als auch Risiken. Der europäische Bankensektor gilt als zersplittert und überfrequentiert. Dem könnten gezielte Zusammenschlüsse auf Bankenebene entgegenwirken. Gleichzeitig könnten die dadurch erzeugten Synergieeffekte zu Kosteneinsparungen auf Bankenseite führen, die in weiterer Folge die Wettbewerbsfähigkeit des neuen Instituts im internationalen Vergleich steigern würde. In der Vergangenheit wurden Übernahme- und Fusionsvorhaben seitens der europäischen Bankenaufsicht einzelfallbezogen geprüft. Die durch den Leitfaden vorgenommene Positionierung der EZB zu wesentlichen Themen wie Badwill, Eigenmittel-anforderungen an das fusionierte Kreditinstitut als auch die übergangsmäßige Weiterverwendung interner Risikobewertungsmodelle stellt für Banken jedenfalls eine wesentliche Erleichterung in puncto Planbarkeit des Fusions- oder Übernahmevorhabens dar.
 

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